Als sein Großvater sich am Arm verletzte und die schweren Bienenstöcke nicht mehr alleine heben konnte, war Enkel Mario zur Stelle. Schnell wurde aus der vorübergehenden Mitarbeit eine Leidenschaft. Der junge Imker betreut heute etwa 20 Bienenvölker an zwei Standorten und geht dabei völlig neue Wege. Wir haben ihn besucht, um herauszufinden, worauf es bei der biologischen Imkerei ankommt.
Bad Kreuzen an einem Sonntag im Juli 2020. Eine vierköpfige Familie öffnet uns die Tür und wir werden warmherzig begrüßt. Mario steigt zu uns ins Auto und wir fahren an seinen ersten Stellplatz. Dieser befindet sich an einem lauschigen Plätzchen am Waldrand.
"Ich habe mich fünf Jahre lang intensiv eingelesen" erzählt Mario. "Im Imkerkurs wurde nur bestätigt, was ich schon wusste." Freilich weiß der mittlerweile routinierte Imker viel mehr als man in einem Lehrgang je erfahren kann.
Neben seinen rund 20 Bienenvölkern pflegt er mit seiner Familie einen für den ländlichen Raum typischen Kleingarten und eine Streuobstwiese, um eine erfolgreiche Permakultur mit möglichst großer Biodiversität zu gewährleisten. Diese ist für die Bestäubungsleistung der Bienen von entscheidender Bedeutung. Voraussetzung dafür sind starke und gesunde Bienenvölker. Er versucht möglichst schonend zu arbeiten und nur den Honigüberschuss zu ernten.
„Ich füttere die Bienen soweit es geht mit ihrem eigenen Honig und habe dadurch sogar mehr Ertrag, weil die Völker stark und gesund sind! Wenn ich zufüttere dann nur Bio Rübenzucker aus der Region."
Buntes Treiben am Einflugloch. Foto ©Buchberger
Bio macht den Unterschied
Einer der wichtigsten und heikelsten Punkte in der heutigen Imkerei ist der Umgang mit der Varroamilbe, einem aus Asien eingeschleppten Parasiten. Mit deren Eintreffen begann auch das "Zeitalter“ der chemischen Imkerei. Die anfangs eingesetzten Mittel sind, obwohl zum Teil längst verboten, bis heute im Bienenwachs nachweisbar. Daher ist rückstandsfreies Wachs eine Grundvoraussetzung in der Bioimkerei.
Ein weiterer Aspekt ist die Arbeit mit natürlichen Materialien wie unbehandeltem Holz, Lehm, Ton oder Stroh. Die weit verbreiteten Styropor- oder Kunststoffbeuten sind in der Bioimkerei verboten (Anm.: Als Beute werden die Behausungen bezeichnet). Schlussendlich ist der entscheidende Faktor zur Qualitätssicherung die (freiwillige) Kontrolle. Die Aufzeichnungspflicht aller Zu- und Verkäufe, sowie die stichprobenartigen Kontrollen verursachen einen Mehraufwand und damit auch höhere Kosten gegenüber konventioneller Imkerei.
"Für mich bedeutet Imkern nach Biorichtlinien einen ersten Schritt zum längst notwendigen Umdenken im Umgang mit unseren Lebensmitteln. Ich bin überzeugt davon, dass die Zukunft der Imkerei in regionaler, naturnaher und chemieloser Bienenhaltung liegt und sehe vor allem die junge Generation in der Pflicht, neue Wege für eine erfolgreiche Imkerei zu finden."
Wir fahren mit Mario zurück zu seinem Haus. Es liegt direkt am Hang einer Streuobstwiese. In der Mitte befindet sich sein zweiter Stellplatz. Bienen und Schafe leben gemeinsam unter einem Dach.
Bio Honigproduktion in Bad Kreuzen
Bad Kreuzen liegt im hügeligen Unteren Mühlviertel (Oberösterreich), einer Landschaft, geprägt von großen Waldbeständen. Der eher humusarme Boden gilt wegen seines hohen Gesteinsanteils im Mutterboden als schwer zu bearbeiten. Daraus folgt eine für die Region typische, kleinstrukturierte Landwirtschaft ohne großflächigen, konventionellen Ackerbau. Raps, Sonnenblumen und andere häufig mit Pestiziden behandelte Trachtpflanzen sucht man hier vergebens (Anm.: Als Tracht bezeichnet man Nektar, Pollen und Honigtau). Wiesen und Weideflächen, in denen genug nektarreiche Blumen blühen, prägen das Landschaftsbild. Die umliegenden Wälder bieten den Bienen eine zusätzliche Nahrungsquelle: Honigtau. Darüber hinaus sorgen zahlreiche Streuobstwiesen für ein breites Futterangebot.
Die Blumenwiese neben dem Stellplatz wird nicht bewirtschaftet und zeigt ein prächtiges Farbenbild!
Stolz präsentiert uns Mario eine Pollenanalyse, die wenige Tage zuvor von einem spezialisierten Labor angfertigt wurde. Diese beweist die Abwesenheit von belasteten Monokulturen und zeigt eine große Vielfalt im Futterangebot der Bienen. Von Steinobst über Sträucher bis Wiesenblumen: Die Analyse weist 25 verschiedene Pflanzengattungen auf. Besonders erfreut ist der Imker, keinerlei Rapsanteile in seinen Honigen vorzufinden.
Die Produkte aus Mario's Imkerei
Alle Erzeugnisse bleiben möglichst naturbelassen und unverändert. Das sollte zwar selbstverständlich sein, die Erfahrung lehrte ihn aber etwas anderes, wie Mario sagt. Honig wird bei ihm nach der Ernte nur gesiebt, um größere Wachsteile zu entfernen. Anschließend wird schnellstmöglich in Gläser abgefüllt. Auf Pumpen, Erhitzen und Filtrieren verzichtet er. Stattdessen ist alles, von der Ernte bis zum Etikett, liebevoll selbstgemacht und echte Handarbeit.
Industriell hergestellter Honig wird durch Filtrieren und Erhitzen meist so weit geschädigt, dass er nicht mehr kristallisiert. In solchen Honigen sind viele wichtigen Inhaltsstoffe wie z.B. Enzyme entzogen bzw. zerstört um eine dauerhaft flüssige Konsistenz zu gewährleisten.
Blütenhonig
Der Blütenhonig besteht zum größten Teil aus Wiesenblumen, Pflanzen aus den umliegenden Kleingärten, Lindenblüten sowie Anteilen einer mehr oder weniger großen Waldtracht. "Ab Juni gibt es bei uns meist einen kleinen Eintrag verschiedener Honigtaue aus den umliegenden Wäldern" erzählt der Imker. Früher oder später kristallisiert unbehandelter und naturbelassender Honig. Durch Wärme (max. 40 °C) kann dieser aber wieder verflüssigt werden ohne die Enzyme im Honig zu schädigen.
Cremehonig
Der Klassiker wird während der Kristallisation von ständigem Rühren begleitet und danach in Gläser abgefüllt. Das Ergebnis spricht für sich und ist den Arbeitsaufwand absolut wert. Der große Unterschied bei Cremehonigen im Handel liegt an der verwendeten Honigsorte. Oft werden dem Kunden, auch bei Bio Produkten, belastete Honige von Raps- oder Sonnenblumentrachten als hochwertige Produkte verkauft. Der Cremehonig von Mario Buchberger besteht hingegen zum größten Teil aus der Tracht von Wiesenblumen wie Vergissmeinnicht, Löwenzahn und Klee. Hinzu kommt der Nektar von Obstbaumblüten aus den umliegenden Streuobstwiesen.
Der neue Cremehonig wird uns auf Vollkornbrot mit handgerührter Rohmilchbutter angeboten – welch ein Genuss!
Propolis
Die auch als Bienenkittharz bekannte Substanz besteht aus verschiedenen Harzen, Bienenwachs, ätherischen Ölen, Blütenpollen, Aminosäuren, Enzymen und Flavonoiden. Die Bienen verbauen es als Dichtmasse im Bienenstock und vermehrt am Einflugloch. Eine Art "Desinfektionsschleuse" soll das Volk vor schädlichen Einflüssen schützen. Propolis wirkt im Bienenstock antibakteriell, viruzid sowie keim- und pilzhemmend.
Mario erntet im Sommer das Bienenkittharz mit einem Propolis-Gitter. Zum Lösen verwendet er hochwertigen 97%igen Weingeist. Auf "billigen Fusel", wie er den sonst oft verwendeten Alkohol aus dem Supermarkt nennt, verzichtet er, denn das funktioniere nicht. Der Querdenker versucht den Gehalt an Propolis möglichst hoch zu halten, also zwischen 15 und 20 %. Gängig sind meist 10 %.
Blütenpollen
Pollen ist der einzige Eiweißspender der Bienen und wird auch Blütenstaub genannt. Enthalten sind neben Vitaminen, Spurenelementen und zahlreichen Aminosäuren auch diverse Enzyme und sekundäre Pflanzenstoffe wie etwa Bioflavonoide. Bei Mario wird der Pollen im Gegensatz zur üblichen Methode schonend gesammelt.
Eine eigens erdachte Vorrichtung ermöglicht es, nur einen Teil des eingebrachten Pollens zu ernten. Somit wird Stress vermieden, der durch ein Fehlen frischen Pollens für die Aufzucht der Brut entstünde. Der Verzicht auf Trocknung, die auch bei niedrigen Temperaturen Inhaltsstoffe zerstört, gewährleistet eine hohe Qualität.
Perga – Bienenbrot
Mario's Lieblingsprodukt ist Perga, auch Bienenbrot genannt. Dabei handelt es sich um fermentierten Blütenpollen, den die Bienen im Stock einlagern, mit Propolis überziehen und haltbar machen. Für Menschen ist dieser wesentlich besser bioverfügbar als "frischer" Pollen, da durch Milchsäuregärung die harte Pollenschale aufgeschlossen wird. 100 g Bienenbrot enthält die Eiweißmenge von 7 Eiern. Unzählige Vitamine, Mineralien und sekundäre Pflanzenstoffe machen Perga zu einem echten, regionalen "Superfood", das übrigens schon die Wikinger mit an Bord nahmen, als sie die nordischen Meere besegelten.
Gerade bei Perga gibt es eklatante Qualitätsunterschiede. Achten Sie auf rückstandsfreie Bioware! Vermeiden Sie gemahlenes Perga, da hier die Reinheit nicht ersichtlich ist! Optimal sind bräunlich-gelbe Kügelchen in typischer Wabenform. Zu dunkles Bienenbrot wurde zu stark getrocknet bzw. sogar verbrannt. Ein rücksichtsvoller Imker entnimmt zudem nur überschüssiges Perga um das Bienenvolk nicht zu schädigen.
Gelée royale
Gelée royale, auch Weiselfuttersaft genannt, wird im Drüsensystem der Ammenbienen produziert. Arbeiterbienenlarven werden zuerst mit Gelée royale und später mit Honig und Pollen gefüttert. Larven, die ausschließlich mit Weiselfuttersaft ernährt werden, wachsen zu Königinnen heran. Sie werden deutlich größer und leben länger als gewöhnliche Bienen. Gelée royale enthält unter anderem Kohlenhydrate, Eiweiß, B-Vitamine und Spurenelemente.
"Die Ernte von Gelée royale ist ziemlich aufwändig und kompliziert. Bis zu 98 % werden daher aus China importiert, der restliche Anteil kommt zumeist aus Frankreich. In Bio Qualität habe ich generell noch kein Gelée royale aus Österreich gefunden."
Da bei der konventionellen Gewinnung die Bienenkönigin entfernt und das Volk dadurch unter Stress gesetzt wird, ist das Erzeugnis umstritten. Mario hat eine schonende wie auch raffinierte Methode entwickelt, bei der er zwei Fliegen mit einer Klappe schlägt. Er nutzt den Schwarmtrieb der Bienen – eine Zeit wo sie vermehrt Weiselsaft produzieren – und entnimmt etwas davon, ohne die Königin zu entfernen. Der Schwarmtrieb wird gemildert, die Bienen bleiben "zuhause" und das begehrte Gelée royale ist - wenn auch nur in kleinen Mengen - gewonnen.
Waldhonig
Waldhonig entsteht aus Honigtau, einer süßen Substanz, die Insekten wie Blattläuse ausscheiden. Die Bienen sammeln ihn von Blättern und Nadeln ein wie Blütennektar und verarbeiten ihn gleichermaßen zu Honig. Waldhonig ist dunkel, aromatisch und enthält reichlich Mineralstoffe, Enzyme und ätherische Öle. Durch die schlechte Witterung in diesem Frühsommer wird es noch einige Wochen dauern, bis heuer der Waldhonig geerntet werden kann. Der ergiebige Regen hat den Großteil des Honigtaus von den Bäumen geschwemmt.
Den krönenden Abschluss unseres Besuchs beim Mühlviertler Bienenflüsterer bildet die Verkostung der frischen Imkereiprodukte. Die Aussicht von der Terrasse ist atemberaubend. "Bei gutem Wetter sieht man bis in die Steiermark" grinst Mario und reicht mir ein Glas selbstgemachten Honigmet. Wir werden noch viel Freude mit unserem neuen Honiglieferanten haben.
Literatur: Unterlagen und Notizen von Mario Buchberger