Die Frage, wie man als Laie gutes von schlechtem Olivenöl unterscheidet, ist nicht von persönlichen Vorlieben abhängig. Es gibt klare Regeln zu beachten, die im Grunde einfach zu erlernen sind. Im folgenden Abschnitt finden Sie einen kurzen Leitfaden, wie man in 5 Schritten herausfindet, was ein einwandfreies Olivenöl der Güteklasse "nativ extra" ausmacht.
1. Die Verpackung – auf den Lichtschutz kommt es an!
Die äußerliche Aufmachung vermittelt uns den ersten Eindruck eines Olivenöls. Eine schöne Flasche ist zwar nett anzusehen, sagt aber nichts über die Qualität des Inhalts aus. Licht, Sauerstoff und Wärme sind die größten Feinde des Olivenöls. Das Um und Auf ist deshalb eine lichtgeschützte und luftdichte Verpackung. Optimal sind möglichst dunkle Glasflaschen sowie Weißblechdosen. Lassen Sie die Finger von Produkten, die in hellen Glasflaschen oder gar durchsichtigen Kunststoffbehältern gelagert wurden!
Machen Sie den Versuch:
Stellen Sie Olivenöl in einer durchsichtigen Glasflasche in die Sonne. Licht führt zum Zerfall des Farbstoffs Chlorophyll. Bereits nach kurzer Zeit verwandelt sich eine ursprünglich grünliche Farbe in blasses Gelb. Olivenöl, das längere Zeit dem Licht ausgesetzt ist, wird durch Oxidation ranzig. Sauerstoff ist genauso schädlich und auch die Temperatur spielt eine Rolle. Angebrochene Flaschen sollten deshalb immer gut verschlossen und der Inhalt rechtzeitig verbraucht werden.
Wie lagert man Olivenöl?
Neben Licht und Luft ist auch die Temperatur ein Faktor, der Einfluss auf den Oxidationsprozess nimmt. Am besten wird Olivenöl wie Wein aufbewahrt: Trocken, dunkel, kühl und dicht verschlossen. Die optimale Lagertemperatur liegt bei etwa 12 - 16 °C. Werte über Zimmertemperatur sind ebenfalls zu vermeiden wie Temperaturen unter 8 °C. Die Aufbewahrung im Kühlschrank, wie sie häufig empfohlen wird, halte ich für kontraproduktiv, weil sie die Aromatik von hochwertigen Olivenölen verringert. In der Praxis eignet sich für die Lagerung am besten der Keller. Offene Flaschen kann man in der Speisekammer aufbewahren.
2. Das Etikett – da soll sich einer auskennen!?
Hier gilt das Gleiche wie fürs Behältnis: Ein professionell gestaltetes Etikett macht einen guten Eindruck. Eine schöne Beschreibung verrät vielleicht etwas über den Olivenhain oder die herrliche Landschaft, in der die Oliven womöglich gewachsen sind. Schön und gut – konzentrieren sollten wir uns allerdings aufs Wesentliche.
Die Güteklasse
Olivenöl der höchsten Kategorie muss die Bezeichnung „Natives Olivenöl extra“ tragen. Alternative Begriffe sind „Extra Vergine“ (italienisch) oder „Extra Virgin" – die englische Variante. Wenn ein Olivenöl diese Klassifizierung besitzt, versichert uns der Hersteller, dass sein Produkt nur mit mechanischen Verfahren (also ohne chemische Lösungsmittel) und ohne Wärmezufuhr gewonnen wurde. Außerdem müssen Grenzwerte für verschiedene Laborparameter, wie z.B. die freien Fettsäuren, eingehalten werden. Diese geben grundlegenden Aufschluss über die Qualität des Inhaltes. Ob es sich um "gutes" Olivenöl handelt, ist allein durch die Güteklasse aber nicht herauszufinden.
Kaltgepresst?
Angaben wie "kaltgepresst", "kalt extrahiert" oder "aus erster Kaltpressung" sind nur dann erlaubt, wenn die Temperatur bei der Herstellung des Olivenöls maximal 27 °C betragen hat. Dieser Zusatz schadet nicht, hilft uns aber auch nicht wirklich weiter, denn Wärmezufuhr ist ohnehin nicht erlaubt.
Freie Fettsäuren (Säurewert) und Peroxide
Der wichtigste Laborparameter ist der Säurewert. Bei den freien Fettsäuren handelt es sich chemisch betrachtet um ein Zerfallsprodukt und es gilt: je weniger (niedriger), desto besser! Die Angabe am Etikett ist freiwillig. Ein profunder Händler kann Ihnen den Wert aber zumindest auf Anfrage mitteilen und durch eine Analyse belegen. Olivenöle, die aus gesunden und unbeschädigten Oliven sofort nach der Ernte hergestellt werden, haben in der Regel einen sehr niedrigen Gehalt an freien Fettsäuren. Erlaubt sind für Olivenöle „nativ extra“ Werte bis 0,8 Prozent. Wünschenswert ist eine Zahl unter 0,4. In Spitzenölen sind oft weniger als 0,2 % freie Fettsäuren nachweisbar.
Nach den freien Fettsäuren sind die Peroxide ebenso wichtige Anzeiger für mögliche Qualitätsmängel. Die gesetzliche Toleranz von 20 meq Sauerstoff/kg sollte möglichst deutlich unterschritten werden. Zahlen unter 11 sind wünschenswert, einstellige Werte optimal. Die Angabe der sogenannten K-Werte, die weitere Rückschlüsse auf Lagerung, Alter und Reinheit von Olivenölen zulassen, ist aller Ehren wert, aber für den Laien etwas zu komplex.
Polyphenole
Hierbei handelt es sich um sekundäre Pflanzenstoffe, die als sehr gesund gelten. Als Antioxidantien schützen sie die Blutfette vor oxidativem Stress. Der Gehalt an Polyphenolen in Olivenöl hängt vom Reifegrad und der Frische der Früchte sowie der Sorgfalt in der Ölmühle ab. Mit zunehmender Reife der Oliven nehmen die Polyphenole ab, weshalb gute Öle aus unreifen bzw. im Reifeprozess befindlichen Oliven hergestellt werden. Die Farbe der Früchte wechselt in dieser Zeit von grün zu schwarz. Hochwertige Olivenöle enthalten mindestens 200 mg Polyphenole je kg. Je höher der Wert, desto besser. In Spitzenölen findet man häufig Gehalte zwischen 500 und 1.000 mg.
Bio oder konventionell
Handelt es sich um ein Bio-Produkt, sind folgende Angaben auf dem Etikett vorgeschrieben: Der Vermerk "aus kontrolliert biologischem(r)/ökologischem(r) Anbau/Landwirtschaft", das hellgrüne EU-Bio-Logo (mit dem Blatt) und das Herkunftsland. Bei dieser Herstellungsmethode kann man sicher gehen, dass im Olivenhain keine chemisch-synthetischen Pestizide verwendet wurden und man leistet damit einen Beitrag zum Umweltschutz.
Mindesthaltbarkeitsdatum und Erntejahr
Da Olivenöl im Gegensatz zu Wein ab der ersten Sekunde nach der Pressung (bzw. Extraktion) beginnt zu verfallen, ist es besonders wünschenswert zu erfahren, wann es hergestellt wurde. Da sich das Mindesthaltbarkeitsdatum nicht nach der Produktion, sondern nach der Abfüllung richtet (in der Regel 18 Monate), ist die Angabe des Erntejahres der einzig verlässliche Hinweis, wann ein Olivenöl extrahiert wurde. Dieser Zusatz ist auf dem Etikett ebenfalls freiwillig und wird meist nur von Direkterzeugern aufgedruckt. Ein gutes Zeichen – aber nicht mehr.
3. Die Farbe – alles im grünen Bereich?
Die professionelle Verkostung von Olivenöl wird in dunkelblauen Gläsern durchgeführt. Warum? Weil die Farbe keinen Aufschluss über die Qualität gibt. Die Farbtöne eines Olivenöls können von grün bis gelb hin zu bräunlich variieren. Die Olivensorte und der Reifezustand spielen dabei eine Rolle. Bei grünem Olivenöl herrscht das Chlorophyll vor, beim goldgelben sind es Carotinoide.
Ungefiltertes Olivenöl
Direkt nach der Extraktion ist Olivenöl trüb. Es gibt sehr gute, unfiltrierte Olivenöle. Diese sind aber nicht so gut lagerfähig, da die Trübstoffe eine frühzeitige Oxidation bewirken können. Deshalb sollte man hier noch vorsichtiger sein als bei klaren, gefilterten Produkten (siehe Punkt 4 und 5!). Wenn Olivenöl durchsichtig oder ganz blass ist, handelt es sich dabei womöglich um ein raffiniertes Produkt, das nicht der höchsten Güteklasse entspricht. Olivenöl in hellen Glasflaschen kann die Farbe durch den Einfluss des Lichts bei der Lagerung verloren haben. Ein solches Öl ist womöglich ranzig.
4. Der Geruch – herrlich, wie das duftet!
Hochwertiges Olivenöl riecht angenehm und frisch. Olivensorte, Bodenbeschaffenheit, Reifezustand der Oliven und die Arbeit in der Ölmühle machen den einzigartigen Charakter jedes Olio Extra Vergine aus. Typisch sind Aromen von frisch geschnittenem Gras, Tomaten (grün oder reif), Äpfeln, Mandeln, grünen Bananen, Artischocken, Beerenobst und mediterranen Kräutern. Auch Zitrusfrüchte, verschiedene Gemüse und exotische Früchte gehören zum Potpourri an möglichen Düften.
Sobald Olivenöl einen Fehlgeruch aufweist, entspricht es nicht mehr der höchsten Güteklasse. Es gibt viele Gründe, warum ein Öl nicht in Ordnung sein kann. Diese reichen vom Befall der Oliven durch die Olivenfliege, über die Verwertung von Am-Boden-liegenden Früchten, hin zur Aufbewahrung der Ernte in feuchten Kellerräumen. Nur wenn Oliven im optimalen Reifezustand schonend geerntet und innerhalb weniger Stunden bei Temperaturen unter 27 °C in einer sauberen und modernen Anlage verarbeitet werden, kann ein gutes Produkt entstehen.
So soll es nicht riechen
Der am-einfachsten-zu-erkennende Fehlgeruch ist "ranzig", weil jeder von uns diesem Odeur schon begegnet ist. Dieser Zustand entsteht, wenn Fette durch Oxidation zerfallen. Man findet den Geruch oft am Flaschenhals von Speiseölen, die lange offen im Regal gestanden haben. Auch geriebene Walnüsse, Mohn, Chips und andere fetthaltige Produkte sind häufig ranzig.
Ein weiteres Fehlaroma in Olivenöl ist "stichig" bzw. "schlammig". Es entsteht schon vor der Ölherstellung, wenn Oliven aufgrund falscher Lagerung bzw. beim Transport eine anaerobe Gärung durchlaufen haben. Der Geruch erinnert an eine kräftige Paste aus reifen Oliven. Der Fehler "wein-/essigartig" entsteht bei aerober Gärung im Herstellungsprozess und riecht nach Rotwein. "Modrig" entsteht bei Ölen aus Früchten mit Schimmel- und Hefepilzbefall wegen mehrtägiger Lagerung unter ungünstigen Bedingungen. Wenn Sie schon einmal in einem feuchten Keller waren, wissen Sie wie "modrig" stinkt.
Erhitzen: Machen Sie den Test!
Beim Aufwärmen von Olivenöl werden sowohl positive als auch negative Aromen freigesetzt und erfüllen die Küche. Probieren Sie es aus: Erhitzen Sie Olivenöl in einer Pfanne (nicht so sehr, dass es zu rauchen beginnt) und nehmen Sie die flüchtigen Aromastoffe bewusst wahr. Ist der Geruch angenehm oder abstoßend?
5. Der Geschmack – das geht runter wie Öl
Der pure Konsum von Olivenöl ist dem Laien eher unangenehm. Dabei können hochwertige Produkte ein sehr erfreuliches Geschmackserlebnis bieten. Grundsätzlich sollte sich beim Genuss von Olivenöl der Geruch auch im Geschmack wiederfinden. Die Aromen werden hierbei sowohl von der Zunge, wie auch retronasal wahrgenommen, also wiederum über den Rachenraum in der Nase.
Bitterkeit und Schärfe sind erwünscht!
Bitterer Geschmack ist typisch für Öle aus grünen oder in Reifung befindlichen Oliven. Er ist ein positives Zeichen, sofern die Bitterkeit nicht überhand nimmt. Schluckt man Olivenöl hinunter, wird insbesondere in der Kehle eine deutliche Schärfe wahrgenommen. Diese ist ebenfalls erwünscht und ein guter Indikator. Je schärfer ein Olivenöl, desto mehr gesundheitsfördernde Polyphenole enthält es. Ungeübte Konsumenten bevorzugen mildere Öle, Kenner lieben meist intensivere Produkte mit ausgeprägtem Charakter.
Hochwertiges Olivenöl fühlt sich im Mund angenehm und dünnflüssig an. Öle, die oral einen dickflüssigen, pastösen Sinneseindruck hinterlassen, werden als "roh" bezeichnet und entsprechen nicht der höchsten Güteklasse. Auch "brandig", "heuartig", "schmierölartig" und "lakig" sind typische Fehler für Olivenöle, die einen fermentativen oder oxidativen Prozess durchlaufen haben oder deuten darauf hin, dass die Oliven nicht sauber verarbeitet wurden.
Fazit – nochmal alles in Kürze
Hochwertiges Olivenöl ist in einer dunklen Glasflasche oder einer Weißblechdose abgefüllt. Das Etikett trägt die Bezeichnung "Olivenöl nativ extra" und das Produkt stammt optimalerweise aus biologischer Landwirtschaft. Erwünscht sind Zusatzangaben wie das Erntejahr und Analysedaten. Ein Säurewert unter 0,4 ist okay – im Idealfall liegt er bei 0,1 - 0,3 Prozent. Die Peroxide sollten die Zahl 11 nicht überschreiten. In perfekten Ölen findet man Werte im einstelligen Bereich. Bei den gesunden Polyphenolen ist ein Mindestgehalt von 200 mg/kg wünschenswert.
Olivenöl der höchsten Güteklasse muss fehlerfrei sein. Es darf nicht ranzig, modrig oder weinartig riechen und sollte sich im Mund angenehm und eher dünnflüssig anfühlen. Es muss eine erkennbare Fruchtigkeit aufweisen und typische Aromen von frisch geschnittenem Gras, Tomaten, Bananen und/oder Kräutern hervorbringen. Hochwertiges Olivenöl besitzt eine deutliche Bitternote und kratzt beim Hinunterschlucken – es soll also auch scharf sein. Wenn man diese Regeln beachtet, ist man schon auf halbem Weg zum Olivenölexperten. Gutes Gelingen!