Eine der ältesten und am höchsten entwickelten Kulturpflanzen der Welt ist Hanf. Das Gewächs kann zu Lebensmitteln, Baumaterialien, Textilien, Arzneimitteln und vielem mehr verarbeitet werden. Befürworter sind gar der Meinung, mit Hanf ließe sich die Menschheit ernähren. Als man in den 1930er Jahren in Hanf den Hauptkonkurrenten zu Baumwoll- und Erdölprodukten ausmachte, wurde er kriminalisiert und schließlich sogar weitgehend verboten. Erst seit den 1990er Jahren wird Hanf bei uns wieder zunehmend kultiviert. In diesem Blog widmen wir uns den Produkten, die aus dieser Pflanze hergestellt werden können und ihrer bewegten Geschichte.
Die meisten Menschen denken bei Hanf sofort an das Rauschmittel. Die Cannabispflanze wird diesbezüglich geradezu stigmatisiert. Es mangelt in erster Linie an Aufklärung und Wissen. Botanisch gehört der Hanf wie der Hopfen zur Familie der Maulbeerbaumgewächse (Cannabaceae). Er wird in die Arten Cannabis sativa (Kulturhanf mit ausgeprägter Faserbildung) und Cannabis indica unterschieden. Die windbestäubende Pflanze mit kräftiger Pfahlwurzel kann innerhalb von 3 Monaten eine Wuchshöhe von bis zu vier Metern erreichen. Sie gedeiht in fast allen Klimazonen und stellt keine besonderen Ansprüche an den Boden. Cannabis sativa ist weitestgehend resistent gegen Schädlinge und ein ausgezeichneter Unkrautunterdrücker, weshalb in der Regel weder Pestizide noch Herbizide eingesetzt werden müssen. Ein Hektar Hanf liefert etwa 800 kg Samen und 3 - 5 Tonnen Fasern.
Die Blätter und Blüten bilden ein Harz, das je nach Sorte mehr oder weniger Cannabinoide enthält. Bisher wurden über 100 dieser Pflanzenstoffe identifiziert. Am besten untersucht sind Tetrahydrocannabinol (THC) und Cannabidiol (CBD). THC ist vor allem für die berauschende Wirkung verantwortlich, CBD wird derzeit intensiv aufgrund pharmakologischer Wirkungen diskutiert. Der bei uns zugelassene Nutzhanf (auch Öl-, Speise-, Faser- oder Industriehanf genannt) enthält unter 0,3 % THC, was keinerlei Rauschwirkung auslöst. Damit dies sichergestellt wird, darf nur zertifiziertes Saatgut verwendet werden. In der EU waren im Jahr 2017 insgesamt 52 Hanfsorten für den Anbau zugelassen. Für die Herstellung von Lebensmitteln werden vor allem die Samen verwendet. Dieser Pflanzenteil enthält ohnehin praktisch kein THC. Hanf als Lebensmittel hat mit der Droge also nichts zu tun.
Die Geschichte des Hanf
Der älteste Fund von kultivierten Hanfsamen wird auf etwa 5.500 v. Chr. datiert und stammt aus Thüringen. In Asien wurde die Pflanze vermutlich schon vor 6.000 - 8.000 Jahren für Nahrung, Kleidung, Fischernetze und Lampenöl genutzt. Ursprünglich stammt Cannabis wahrscheinlich aus Kasachstan. Erste Erwähnung findet der Hanf im Arzneibuch "Shen nung pen Ts'ao king" um 2.800 v. Chr.
Im 13. Jahrhundert entsteht in Nürnberg die erste Papiermühle Deutschlands. Man konnte damals aus Holz noch kein Papier herstellen, weshalb Hanf der wichtigste Rohstoff war. 1455 druckt Gutenberg seine berühmte Bibel auf Hanfpapier. Mit Columbus findet 1492 auch der Hanf seinen Weg in die neue Welt. Die amerikanische Unabhängigkeitserklärung von 1776 – eines der berühmtesten Schriftstücke der Welt – wurde ebenfalls auf Hanfpapier gedruckt.
Bis in die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts war Hanf eine der häufigsten Kulturpflanzen. In den 1920er Jahren wird die Faserpflanze zunehmend durch Baumwolle aus Kolonien ersetzt. Die Einführung von Kunstfasern, unterstützt durch eine Anti-Hanf-Kampagne der Industrie – die Cannabis aus Konkurrenzgründen zur gefährlichsten Droge erklärt – führt letztlich zu dessen Niedergang. Nach einem kurzen Aufschwung der Hanfproduktion im 2. Weltkrieg blieb der Anbau in Österreich und Deutschland gänzlich aus. Seit 1995 ist es landwirtschaftlichen Betrieben wieder erlaubt Nutzhanf zu kultivieren. Heute genießt Hanf aufgrund seiner vielfältigen Verwendungsmöglichkeiten wieder zunehmendes Interesse. Der Anbau von THC-armen Nutzhanfsorten ist mittlerweile wieder in allen Ländern Europas erlaubt. Erst seit Dezember 2018 ist Industriehanf auch in den USA wieder zugelassen.
Lebensmittel aus Hanf
Speisehanfsamen (geschält)
Hanfsamen sind eine hervorragende Proteinquelle. Zusammen mit einem hohen Gehalt an ungesättigten Fettsäuren – insbesondere Omega-3 – sind sie ein hochwertiges Lebensmittel. Hervorzuheben sind außerdem reichlich Mineralstoffe, die Vitamine der B-Gruppe und Vitamin E. Aufgrund des angenehm nussigen Aromas werden die Samen auch als Hanfnüsse bezeichnet. Sie erinnern geschmacklich an Sonnenblumenkerne. Hanfsamen schmecken roh zum Knabbern, können aber genausogut in Müslis, Smoothies, zum Backen und zum Garnieren von Salaten verwendet werden. Wenn man die Nüsse über Nacht in reichlich Wasser einweicht und am nächsten Tag püriert, bekommt man ein praktisches Hanfgetränk, das als Milch-Ersatzprodukt verwendet werden kann.
Hanfsamenöl
Das aus den Samen gewonnene Öl hat ein optimales Fettsäuremuster. Hanföl enthält etwa 60 % Linolsäure (Omega-6) und 20 % Alpha-Linolensäure (Omega-3), wobei letztere zur Aufrechterhaltung eines normalen Cholesterinspiegels im Blut beiträgt3. Zudem liefert Hanföl 2 - 6 % der seltenen Gamma-Linolensäure, die man sonst nur in der Muttermilch sowie in Nachtkerzen- und Borretschöl findet. Diese Fettsäure ist gut für die Haut, weshalb sich Hanföl auch in der Pflege eignet.
Durch seinen angenehm nussigen, kräuterartigen Geschmack ist Hanföl eine Bereicherung für die kalte Küche, zum Beispiel bei Rohkost und Salaten. Die Farbe schwankt zwischen grün und gelb bis braun. Wegen seines relativ niedrigen Rauchpunktes von etwa 165 °C sollte Hanföl nicht zum Braten oder Frittieren verwendet werden. Kein Problem ist die Nutzung von Hanföl zum Dünsten und Dämpfen (bei etwa 100 °C).
Hanfproteinpulver (Hanfeiweiß, Hanfmehl)
Der bei einer schonenden Ölgewinnung übrigbleibende Presskuchen enthält noch viele hochwertige Nährstoffe. Reduziert ist nur der Fettgehalt. Die Pellets werden fein vermahlen. Das daraus entstehende Mehl wird ausgesiebt, um den Eiweißgehalt auf rund 50 % zu erhöhen und den Schalenanteil zu verringern. Dadurch entsteht ein eiweiß- und ballaststoffreiches Pulver mit allen essentiellen Aminosäuren. Es kann für Proteinshakes, Smoothies und Müslis verwendet werden. In Brot und Backwaren können bis zu 10 % Getreidemehl bei unveränderter Rezeptur durch Hanfmehl ersetzt werden. Das erhöht den Nährstoffgehalt und wertet das Gebäck auf.
Hanf in und aus Österreich
Das in den 60er Jahren vergessene Kulturgut wird seit dem EU-Beitritt 1995 wieder erfolgreich in Österreich angebaut. Alle unsere Hanfprodukte stammen aus heimischer Ernte. Hanföl und -proteinpulver werden in Oberösterreich gepresst. Die Bio Hanfsamen stammen aus dem oberen Weinviertel. Der Ort Hanfthal in der Gemeinde Laa an der Thaya ist seit jeher für den Hanfanbau bekannt. Im Rahmen der 850-Jahr-Feier hat man sich zur Jahrtausendwende mit der eigenen Geschichte auseinandergesetzt und seither ist der Name auch Programm. Ein Besuch im "Hanfdorf" lohnt sich: Der Ort bietet neben einem Hanflehrpfad auch ein Hanfmuseum und zahlreiche Veranstaltungen zum Thema. Es gibt außerdem ein Hanfversuchsfeld, wo man verschiedenen Sorten beim Wachsen zusehen kann. Im Wirtshaus werden die Schnitzel mit Hanfsamen paniert, beim Bäcker gibt's Hanfgebäck, im Dorfkeller wird Hanfbier getrunken und ein Hanfshop darf natürlich auch nicht fehlen.
Weitere Hanfprodukte - die Vielfalt ist enorm
Alle Pflanzenteile vom Hanf können verwendet werden. Angeblich lassen sich daraus rund 50.000 Produkte herstellen. Die Pflanze kann gänzlich energetisch (als Brennmaterial) verwertet werden. Aus den Samen wird neben Speise- auch industrielles Hanföl gewonnen, woraus Produkte wie Farben, Reinigungsmittel, Schmierseife, Lampenöl und Treibstoffe erzeugt werden. Zudem eignet sich Hanföl für vielerlei Kosmetika. Die Hanfblüten, Zweigspitzen und Samenhüllen sind Grundlage diverser Arzneimittel. Aus Hanfblättern kann ein wohltuender Tee hergestellt werden. Zudem wird daraus ein ätherisches Öl gewonnen, das für Essenzen, Parfüms sowie Aroma- und Farbstoffe verwendet wird.
Hanf ist in unseren Breiten die ertragreichste Faserpflanze. Die Ausbeute ist viermal so hoch wie jene der Baumwolle und das ohne Pestizideinsatz. Am vielseitigsten sind die Stängel der Hanfpflanze, aus denen Fasern und Schäben (Holzreste) gewonnen werden. In der Textilindustrie hat sich die Hanffaser aufgrund ihrer Festigkeit und Beständigkeit bewährt. Neben Kleidung können aus den Fasern Produkte wie Schuhe, Schnüre, Seile, Säcke, Planen, Segel, Teppiche sowie Verbundstoffe erzeugt werden. Auch Papier und Verpackungsmaterial kann aus Hanf hergestellt werden. Dabei hat Cannabis sativa mit einem Zellulosegehalt von 80 % gegenüber Holz sogar einen klaren Vorteil.
Im Bausektor werden die Schäben und Fasern zur Herstellung von Bau- und Dämmmaterial eingesetzt. Die Naturfaser kann synthetische Produkte ersetzen, wobei Hanf einfach kompostiert werden kann. Leider beträgt die Verbreitung als Dämmstoff derzeit erst rund 7 %. Dabei könnte man hier auf erdölhaltige Produkte ohne Weiteres verzichten. Der klassische Dichthanf im Sanitärbereich ist wahrscheinlich die bekannteste Verwendung der Faser. Die Schäben eignen sich auch bestens als Tiereinstreu.
Übrigens wurde auch die erste Jeans 1870 von Levi Strauss aus Hanf gefertigt. Berühmtheit erlangte sie vor allem wegen ihrer Reißfestigkeit und Langlebigkeit. Heutige Jeans werden aus Baumwolle hergestellt und wenn sie nicht schon absichtlich zerrissen im Laden hängen, dann verschleißen sie spätestens nach ein, zwei Jahren Gebrauch. Wir lassen uns eigentlich ganz schön verhöhnen, nicht? Also: Es wird Zeit für ein Hanf-Revival! rj
Literatur:
- Hanferlebnispfad | Hanfthal, Niederösterreich (10 Tafeln)
- Wikipedia | Hanf | Nutzhanf | Hanföl | Hemp_Farming_Act_of_2018 | Online-Abruf August 2019
- EU-Verordnung 432/2012 (Health-Claims-Verordnung) | eur-lex.europa.eu | Online-Abruf März 2019
- Braunschweig, R | Pflanzenöle – Qualität, Anwendung und Wirkung | Stadelmann Verlag | 4. Auflage 2012